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Diese kritische Stimme im Kopf

Man kennt es: Man lebt sein Leben, trifft Freunde, kocht, genießt die alltäglichen Momente – und dann, ohne Vorwarnung, taucht sie auf. Diese leise, aber hartnäckige Stimme im Kopf, die ständig bewertet, nörgelt und kritisiert. „Das hast du mal wieder nicht richtig gemacht“, „Warum kannst du das nicht besser?“ oder „Warum hast du das überhaupt gesagt? Das war mal wieder so blöd von dir!“ Es ist, als würde man mit einem unsichtbaren Gegner zusammenleben, dem man sich immer beweisen muss – und der auch noch in einem Selbst wohnt. 


Wenn konstruktiv und in Maßen eingesetzt wird, kann Selbstkritik eigentlich sogar motivieren, das Beste aus sich herauszuholen und zu mehr Selbstzufriedenheit führen. Sie kann uns helfen, unsere Schwächen zu erkennen, realistische Ziele zu setzen uns so auf Wachstum auszurichten. Leider passiert es aber oft, dass Selbstkritik schnell als problematisch oder überwältigend empfunden wird, wenn sie zu ständigen Selbstzweifeln, Angst und geringem Selbstwert führt. Negative Selbstgespräche schaffen so einen Teufelskreis, der das eigene mentale Wohlbefinden belastet und zu Perfektionismus oder ständigen Versagensängsten führen kann. Dann wird es Zeit, gegenzusteuern und sich psychologische Hilfe zu suchen.


Aber woher kommt diese unangenehme Stimme? Und warum spricht sie so hart mit uns? 


Die Ursache des inneren Kritikers

Der innere Kritiker hat seine Wurzeln oft in unserer Kindheit. Wir lernen von klein auf, durch die Stimmen unserer Eltern, Bezugspersonen, Lehrer oder anderer Autoritätspersonen, was richtig und falsch, akzeptabel und nicht akzeptabel ist. So entwickelt sich im Laufe der Jahre eine innere Erwartungshaltung, dass wir immer besser, klüger, erfolgreicher und schöner sein müssen.

Wenn diese Stimmen besonders kritisch oder streng waren, übernehmen wir diese Art der Kommunikation oft unbewusst in unser eigenes inneres Dialogsystem. Ein innerer Kritiker ist also immer auch ein äußerer Kritiker, den wir verinnerlicht haben. Diese Botschaft können uns auf verschiedene Weisen erreichen: 


  1. Direkt: Durch Kritik von Eltern, Lehrern oder anderen wichtigen Personen, die uns für unser Verhalten strafen oder hohe Erwartungen an uns stellen. Oder wenn wir lernen, dass Fehler nicht akzeptabel sind und es nötig ist, die Erwartungen anderer zu erfüllen.

  2. Taten: Auch nonverbale Botschaften beeinflussen uns. Wenn wir als Kinder z.B. weniger Zuwendung bekommen, wenn wir z.B. keine guten Leistungen in der Schule haben oder nicht zurecht gemacht ausschauen, schließen wir oft daraus, dass wir nicht genug sind. 

  3. Indirekt: Manchmal hören wir, wie andere kritisiert oder verurteilt werden, und beziehen es auf uns selbst.

  4. Gesellschaftlich: Selbst mit unterstützenden Eltern nehmen wir gesellschaftliche Ideale auf, die uns vermitteln, dass wir nicht gut genug sind, wenn wir nicht bestimmten Normen entsprechen. Unsere Gesellschaft belohnt obendrauf auch noch Leistung, Schönheit, und Materialismus, was zu Glauben führt, dass nur strenge Selbstkritik uns zum Erfolg bringen kann. Vor allem Frauen leider häufig unter Selbstkritik, weil sie ständig versuchen, gesellschaftlichen Idealen zu entsprechen (wie Schönheit, Körperbild). 


Die klare Botschaft: Es scheint nicht in Ordnung zu sein, so zu sein, wie wir sind.


Selbstkritik aus falschen Überzeugungen


Selbstkritik entsteht demnach oft nicht aus Fakten, sondern aus falschen Überzeugungen, die wir selten hinterfragen und in unsere Psyche integriert haben. Diese Überzeugungen stammen meist aus unserer Umgebung und prägenden Erfahrungen. Ein Gedanke wie "Ich bin nicht gut genug" fühlt sich oft vertraut an, aber wie oft stellen wir uns wirklich die Frage: Stimmt das überhaupt? Solche Überzeugungen beeinflussen nämlich, wie wir uns selbst sehen und verhalten – wir trauen uns z.B. weniger zu und schränken uns im Alltag ein. Diese inneren „Geschichten“, oft aus der Vergangenheit oder durch den Einfluss anderer geformt, schränken uns in der Gegenwart ein und halten uns davon ab gegensätzliche, heilende Erfahrungen zu machen.  

Byron Katie hat mit The Work eine Methode entwickelt, um negative Gedanken und Überzeugungen zu hinterfragen. Sie besteht aus vier Fragen:


  1. Ist das wahr?

    Viele Überzeugungen beruhen auf subjektiven Gefühlen, nicht auf Fakten. Diese Frage eröffnet oft bereits eine neue Perspektive.

  2. Kannst du sicher sein, dass es wahr ist?

    Bei ehrlicher Reflexion merken wir oft, dass wir uns nicht absolut sicher sein können – es gibt meist auch Beweise für das Gegenteil.

  3. Wie reagierst du, wenn du diesen Gedanken glaubst?

    Diese Frage zeigt, wie destruktiv Selbstkritik unser Verhalten und Wohlbefinden beeinflusst.

  4. Wer wärst du ohne diesen Gedanken?

    Ohne die negativen Überzeugungen würden wir uns wahrscheinlich freier und selbstbewusster fühlen.


Der innere Kritiker als Schutzmechanismus

Interessanterweise ist diese Stimme nicht nur ein Feind, sondern versucht eigentlich dich vor dem Schlimmeren zu beschützen. Denn in einer unsicheren oder herausfordernden Umgebung war es wichtig, aufmerksam zu sein, Fehler zu vermeiden, sich anzupassen und sich schnell zu verbessern. Der innere Kritiker wollte uns vor Peinlichkeiten, Versagen oder gar Ablehnung unserer Bezugspersonen und Umwelt bewahren. Es ist ein Anteil unserer Selbst, der eine wichtige Funktion erfüllt hat und erfüllt. Leider ist es so, dass dieser innere Teil bei vielen Personen zu ausgeprägt ist und mehr hemmt als nützt, was sich zu Ängsten oder anderen psychischen Problemen entwickeln kann. 


Der innere Kritiker mag oft lästig sein, aber wenn wir erkennen, dass er uns ursprünglich beschützen wollte, können wir ihm sogar dankbar sein. Und statt diesen zu ignorieren, können wir in den Dialog treten: „Danke, dass du versuchst, mir zu helfen. Wovor möchtest du mich eigentlich beschützen?“ Häufig steckt hinter der Kritik eine tiefere Angst – etwa die Angst, nicht gut genug zu sein oder abgelehnt zu werden. Diese kleine Veränderung im Denken kann viel bewirken. Ziel ist es, aus dem strengen Kritiker einen inneren Verbündeten zu machen, den man nicht mehr automatisch bekämpft und ablehnt, sondern dahinter sieht. 


Der Weg zu mehr Mitgefühl 

Der Weg aus der Selbstkritik liegt in den weiteren Schritten in der Entwicklung und Stärkung von Selbstmitgefühl. Behandle dich selbst wie einen guten Freund – mit Freundlichkeit, Liebe und Nachsicht. Statt uns für Fehler zu verurteilen, sollten wir sie akzeptieren und daraus lernen. Denn Menschen, die sich selbst mit Mitgefühl begegnen, haben weniger Angst vor Misserfolgen und sind durch motivierter und erfolgreicher. Selbstliebe stärkt außerdem unsere Resilienz und ermöglicht es uns, auch besser für andere da zu sein. Den Teil der Selbstliebe zu stärken und diesem Raum zu geben, ist daher ein guter Weg, um die Stimme des inneren Kritikers auszubalancieren. Denn die Existenz beider Anteile ist für unser Überleben entscheidend und hilfreich, nur eben in gesunder Co-Existenz. 


Fazit 

Der innere Kritiker ist zwar hartnäckig, aber wir müssen uns nicht von ihm beherrschen lassen. Mit Selbstmitgefühl und einem reflektierten Blick auf unsere eigenen Gedanken können wir diese negative Stimme Schritt für Schritt schwächen und die liebevolle Stimme stärken. Es geht nicht darum, perfekt zu sein – sondern darum, sich selbst die gleiche Freundlichkeit und Liebe zu schenken, die wir anderen geben würden. Der Weg dahin erfordert Übung und Geduld, doch je öfter wir den inneren Kritiker hinterfragen, desto leiser wird er. Psychologische Unterstützung, Achtsamkeit, und therapeutische Begleitung können dabei helfen, den inneren Kritiker in eine positive Kraft zu verwandeln. 

 
 
 

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